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Durch die Heimat mit Jan Willem Huntebrinker

Wer eine Auswahl trifft, schafft eine Metaerzählung. In der Serie "Durch die Heimat mit ..." bittet die Redaktion von upgration.de verschiedene Kura­tor*innen aus Hannover, sich mit dem Thema "Wahlheimat" auseinander­zusetzen. Dafür erhalten sie Zugriff auf einen Pool individ­ueller Heimatbilder. Die Fotos hatte das Cameo Kollektiv auf dem Lumix Festival 2018 im Container "#Heimatministerium" ausgestellt - bewusst unkura­tiert, das heißt: Jedes Bild, jede Perspektive war gleichwertig. Nun soll über das Ver­fahren der Auswahl eine Meta­erzähung entstehen. Welche Bilder stechen heraus? Wovon erzählen sie? Und was be­deutet das für uns?

Den Anfang macht der Museums­pädagoge des Historischen Museums Hannover Jan Willem Huntebrinker:

Seit 9 Jahren lebe ich in Hannover. Ich bin wegen der Arbeit hierhin gekommen. Im Historischen Museum Hannover betreue ich den Bereich „Bildung und Kommunikation“. Anfangs hatte ich überhaupt keinen Bezug zur Stadt und dachte eher daran, wie ich von hier zur nächsten Stelle, in die nächste Stadt hoppen kann. Sehr schnell aber wuchs die Zufriedenheit und dann die Freude in Hannover zu leben. In meiner Arbeit habe ich mit ganz vielen sehr unterschiedlichen Menschen aus der Stadtgesellschaft zu tun, für mich eine große Motivation.

 

Fragen an Jan Willem Huntebrinker

Heimat ist der politische „Kampfbegriff“ 2018, unzählige Debatten wurden zu diesem Begriff geführt, aus Deiner Sicht richtig? Kannst Du den Definitionsdrang verstehen?

Ja, ich kann den Definitionsdrang verstehen. Ich glaube, es treffen da zwei Dinge aufeinander: zum einen hat die „neue Rechte“ den „alten Heimatbegriff“ wiederentdeckt. Der ist da vermutlich gar nicht so wahnsinnig neu definiert. Er wird vielmehr eingereiht in die „…das darf man jetzt mal wieder sagen!“-Litanei. Es wird so getan, als wenn es jahrelang verboten gewesen wäre von Heimat zu sprechen oder Heimatgefühle zu haben. Sicher hat es in Deutschland lange eine kritische Auseinandersetzung und ein sehr vorsichtiges Benutzen des Begriffes gegeben. Das ist sehr nachvollziehbar, war das doch einer der „politischen Kampfbegriffe“ der völkischen und nationalsozialistischen Bewegung. Kritische Distanz dazu schadet ja in der Regel auch niemandem.

Zum anderen gibt es eine eher unpolitische Hinwendung zur „Heimat“, die damit etwas verbindet, was als regional oder lokal Spezifisches, als etwas Ursprüngliches und Typisches, also gewissermaßen historisch Tradiertes betrachtet wird. In diesem Sinne begegnet einem Heimat in der Werbung für Produkte und Unternehmen, denen solche Eigenschaften zugeschrieben werden sollen. In diesem Sinne identifizieren sich aber auch Szenen, die sich als alternativ oder kreativ verstehen, mit dem Begriff. Er bietet ihnen eine Abgrenzung zur Masse und Massenkonsum, zur globalisierten Norm. Aus dem Aufeinandertreffen beider „Heimat-Bewegungen“ entstehen starke Bedürfnisse der Definition und Abgrenzung: so erkläre ich mir das…

Hast Du das Gefühl, dass die Debatte auch mit Bildern geführt wurde? Inwiefern können Bilder eine solche Debatte mitbestimmen und somit ein kollektives Bewusstsein prägen?

Ich glaube, Bilder sind das wichtigste Medium in dieser Debatte. Da wird ganz sicher wesentlich mehr über Bilder kommuniziert als über Worte. Es geht darum, Emotionen in Vorstellungen zu verwandeln und die Bilder helfen dabei, Vorstellungen zu formen und zu kommunizieren. Ich glaube, es sind weniger vereinzelte starke Bilder als vielmehr Bildwelten, die verschiedene „Heimat-Vorstellungen“ und Definitionen vermitteln. Die Assoziation von Heimat mit Ursprünglichkeit und lokal Spezifischem, die ich oben beschrieben habe, ist ein gutes Beispiel für so eine Bildwelt.

Hat sich das Bild von Heimat im Laufe der Historie verändert?

Das Bild von Heimat hat sich ganz sicher verändert. Wir können davon ausgehen, dass damit schon immer für verschiedene Menschen auch verschiedene Vorstellungen und Emotionen verbunden waren. Jedoch wurde Heimat in der Vormoderne vermutlich eher als ein reiner Herkunftsbegriff verstanden. Seit dem 19. Jahrhundert gibt es eine starke Politisierung von Herkunft. Heimat wurde emotional und politisch zugleich aufgeladen. Schließlich spielte der Begriff dann tatsächlich als politischer Kampfbegriff für die rechten Bewegungen des 20. Jahrhunderts eine zentrale Rolle. In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts gab es zumindest in Deutschland dann eine entsprechend kritische und distanzierte Auseinandersetzung und Vermeidung des Begriffes. Ich denke, dass der Begriff heute sehr vielfältig und quasi pluralisiert genutzt wird und damit ganz unterschiedliche Geltungen erreichen kann und das finde ich erst einmal gut so.

 


Bildauswahl: Jan Willem Huntebrinker | Interview: Julius Matuschik | Aufbereitung: Redaktion upgration.de | Fotografien: Verschiedene

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