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Durch die Heimat mit Sergey Harutoonian

Wer eine Auswahl trifft, schafft eine Metaerzählung. In der Serie "Durch die Heimat mit ..." bittet die Redaktion von upgration.de verschiedene Kura­tor*innen aus Hannover, sich mit dem Thema "Wahlheimat" auseinander­zusetzen. Dafür erhalten sie Zugriff auf einen Pool individ­ueller Heimatbilder. Die Fotos hatte das Cameo Kollektiv auf dem Lumix Festival 2018 im Container "#Heimatministerium" ausgestellt - bewusst unkura­tiert, das heißt: Jedes Bild, jede Perspektive war gleichwertig. Nun soll über das Ver­fahren der Auswahl eine Meta­erzähung entstehen. Welche Bilder stechen heraus? Wovon erzählen sie? Und was be­deutet das für uns?

Den dritten Teil der Serie gestaltet Sergey Harutoonian, Kurator des Kunstvereins Hannover:

Die Vorstellung von Heimat als ein bestimmter Ort, ein Zustand oder eine Gemeinschaft von Menschen ist eine zutiefst emotionale und subjektive Empfindung, die maßgeblich von Erinnerung gespeist ist. Der Begriff „Heimat“ subsumiert dabei in der politischen Auslegung diese individuellen Vorstellungen unter eine große, kollektive Erzählung, dargelegt an wichtigen gesellschaftlichen Ereignissen (Wiedervereinigung, WM-Sieg, etc.).

Die ausgewählten Fotografien zeigen auf interessante Weise Personen und Orte, die sinnbildlich für eine teils verklärte Vergangenheit stehen, im Sinne einer vermeintlich noch „intakten Heimat“ (Papst Johannes Paul II (046), Michael Schumacher (017), Fachwerkhäuser (95), Alltag (031)). In Zeiten des noch nie dagewesenen Wohlstands in Deutschland und Europa äußert sich das latente Gefühl einer vermeintlichen Bedrohung oder gar Verlusts des liebgewonnenen Zuhauses durch fremde Einflüsse in einer zunehmenden Abschottung vieler Staaten. Die ausgesuchten Fotografien greifen diese Tatsache auf gelungene Weise auf (gesellschaftliches Sicherheitsbedürfnis (058), Überwachungsstaat (092), Rückbesinnung auf westliche (christliche) Werte (027)). Gleichzeitig zeigt sich auch die Ambivalenz des Heimatbegriffs: Ist Heimat in unseren Gefilden ein schützenswertes Konstrukt, ist es für viele Millionen Menschen gerade ein Ort, der negativ behaftet ist und zur Flucht zwingt (086/035/020). Sowohl als Mittel der Erinnerung, im Sinne eines individuellen und kollektiven Gedächtnisses, als auch als Instrument zur Schaffung eines künstlichen Heimatbegriffs kam dem fotografischen Medium in den letzten Jahren eine zentrale Rolle zu.

 

Infobox: Sergey Harutoonian ist Kurator des Kunstvereins Hannover. Er wurde in Teheran/Iran als Sohn armenischer Eltern geboren und wuchs im beschaulichen Bad Saulgau (Oberschwaben) auf.

Hier geht's zum ersten Teil der Serie "Durch die Heimat mit ...". Der zweite Teil findet sich hier.


Text und Bildauswahl: Sergey Harutoonian | Aufbereitung: Redaktion upgration.de | Fotografien: Verschiedene