Gedanken an die Liebe
von Clara Cosima Wolff
Sinnliche Seelenbegegnung: Lass uns unsere Geistesfächer öffnen und einander zuwedeln, welche Luft wir atmeten. Uns unser Leben einhauchen. Hier, zieh, das ist meine Nährluft. Saug, mein Lebensduft. Fülle deine Lungenflügel mit meiner Atemnot. Beflügel meine lüsternen Nüstern mir lärmendem Labgut. Liebkose den Rachen wund mit deinem Glaubenskern/ankern. Lutsch langsam meine vergangenen Momente.
In kobaltblauer Einsamkeit liegen wir vetraut in der Nacht.
In meiner frisch geschorenen Achsel ruhen begierdelos deine Fingerspitzen.
In dumpfer Trunkenheit suche ich Schlaf und finde die matte Hitze des Gedankenrasens.
Nebeneinanderliegende Arme zweier getrennter Ichs, die nicht eigentlich getrennt sind, da sie nie zum wir verschmolzen waren.
Nächste Nähe. Die Gewissheit einer Einladung. Die Ungewissheit eines Aufenthalts. Die Distanzwippe, welche zur Nähe sich neigend bewegt wird. Minuten, die zu Gewichten werden, die sich auf Seiten schlagen, die neue Zeiten wagen, die in der Gewissheit des nahenden Endes der Annäherung sich mehrend zu einem erst im Nachhinein erkennbaren Höhepunkt sich stapeln, einer zärtlichen Choreografie folgend.
Ziellose Liebe. Ich liebte gern, doch wüsst ich nicht wen.
Ich würd dich belügen, nur kann dich nicht sehn.
Ich blieb für dich Liegen, du denkst nur ans gehn, Ich würd dich bekriegen, bloß musst du bestehen.
Unnahbar, die getrennt erlebte Zeit, die nie der gemeinsamen gnädig gestimmt sein wird. Die nie gemeinsam mit der geteilten gewogen werden wird. Die abwägend in einer abgesonderten Waagschale landen wird. Die durch erzählende Worte angerissen, angekratzt werden kann, dadurch nur unheilbare Wunden, wundersame Wandlungen offenbart, nicht aber angehaucht, eingeatmet, nacherfühlt wird. Die gerissen im Raum stehende Zeit. Die zerrinnenden Stunden, die die verbleibenden belächeln. Die spöttisch im Gedächtnis verharren, ohne im Grunde nennenswert zu sein. Die Spuren
hinterlassen, welche nicht gespürt, nicht aufgespürt werden, denen nicht gefolgt werden kann, obwohl sie folgenschwer sind. Schwerelose Empfindungen nur zeitlosgelöst möglich.
Clara Cosima Wolff, Jahrgang 1993, wohnt zurzeit in Osnabrück. Nach ihrem Psychologiestudium beschloss sie, einer weiteren Erkundung der menschlichen Psyche nachzugehen. Über poetische Annäherungen befasst sie sich mit Beobachtungen der Innenwelt und ihren äußerlichen Wirkungen. Um weitere künstlerische Ausdrucksmöglichkeiten und Weltsichten zu entdecken, studierte sie Kunstpädagogik und Philosophie. Zurzeit studiert sie Kreatives Schreiben und Kulturjournalismus in Hildesheim und arbeitet als Kunstvermittlerin und Psychologin.
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