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Interviewreihe: Haymat erneuern mit Meral El.

Anfang April organisierte die Rosa Luxemburg Stiftung die Migrationskonferenz „Haymat". Migrantische Selbstorganisationen, Aktivist*innen und Vertreter*innen der Politik kamen mit Wissenschaflter*innen und anderen Akteur*innen zusammen, um über einen Perspektivwechsel des Migrationsdiskurses zu debattieren, aber auch um über die Anforderungen an die linke Politik für die Gesellschaft der Vielen zu sprechen. Für die Redaktion von Upgration war die Konferenz vor allem die Möglichkeit mit Expert*innen ins Gespräch zu kommen, die gesellschaftliche Prozesse weiterdenken. So zum Beispiel mit Meral El, der Geschäftsführerin des bundesweiten Netzwerks „neue deutsche ogranisationen“.

 

Wann wurden die „neuen deutschen organisationen“ gegründet?


Die neuen deutschen organaisationen sind ein Zusammenschluss von Menschen, die Rassismuserfahrungen machen, das sind sowohl Organisationen, aber auch Einzel-Initiativen. Manche bezeichnen sich selbst als „neudeutsch“, haben „Bindestrich-Identitäten“ wie „deutsch-kurdisch“, „asiatisch-deutsch“, andere wiederum benutzen die Selbstbezeichnung People of Color. Die Selbstbezeichnung ist unsere Ausgangsbasis, was uns dann aber zusammenbringt ist die konkrete Rassismuserfahrung.
Es ist ein relativ neuer Zusammenschluss, der seinen Anfang im Jahr 2015 nahm, als 80 Organisationen zum 1. Bundeskongress der neuen deutschen organisationen mit dem Titel „Deutschland neu denken“ zusammenkamen. Gründungs-Organisationen sind beispielsweise die „Neuen Deutschen Medienmacher“, „deutsch plus“ oder „Schülerpaten“.


Es waren sechs bis sieben Organisation, die gezielt Mitstreiter eingeladen und initiiert haben, gemeinsam als Netzwerk agieren zu wollen. Es sollte aber kein Dachverband gegründet werden, stattdessen ein stabiles Netzwerk um sich gegenseitig zu stärken und die jeweiligen Kämpfe miteinander zu verbinden.


Auf dem Bundeskongress haben die 80 Organisation eruiert, was die gemeinsamen Themen sind, woran sie arbeiten müssen, wo es Veränderungen braucht und mit wem sie als Netzwerk diesbezüglich arbeiten wollen. Am Ende wurde ein 15 Punkte-Plan erarbeitet mit Themen wie beispielsweise Racial-Profiling, Rassismus im Bildungsbereich, Sammlung von Daten, oder auch Förderpolitik.


Auf unserer Website steht das Eckpunkte-Papier zur Verfügung. Das sind die Themen, auf die wir aufmerksam machen wollen, an denen wir arbeiten und die wir als Netzwerk pushen wollen. Wir haben beispielsweise drei "factsheets" mit Themen wie wir Bildung inklusiver gestalten können, also gegen Rassimsus im Bildungssystem. Genauso aber geben wir Antidiskriminierungsdaten ein, die wir benötigen um überhaupt unsere Forderungen aufstellen zu können. Oder auch, dass es im Bereich Frauen Quotierungen braucht. Eine der wichtigsten Forderungen ist sicher auch eine verbesserte Förderpolitik: Die meisten unserer Organisationen müssen sich mit Förderungen für ein oder zwei Jahre finanzieren, was wir aber alle machen ist eine Gesellschaftspolitik, die nur langfristig funktionieren kann. Diese Förderungsstruktur sehen wir als institutionelle Diskriminierung, die uns Partizipation und Interessenvertretung in der weißen Mehrheitsgesellschaft verwehrt.



Wir behandeln auf Upgration.de gerade das Thema Erneuerung. In „neue deutsche organisationen“ steckt Erneuerung ja quasi schon im Namen!


Ich würde sagen, das sind Transformationsprozesse, Umbrüche, Verschiebungen, die wir in sozialen Kämpfen kennen. Es geht zwar um ähnliche Themen, die aus verschiedenen Perspektiven mit Akzentverschiebungen neu „geframed“ werden. Ich denke, dass mit vielen neu gegründeten Organisationen noch mal ein anderer frischer Wind kommt der mit Begriffen wie „deutsch sein“ spielen und der Schwere solcher Themen mit Humor begegnen möchte.
Menschen die bspw. länger in Deutschland leben oder auch hier geboren sind, haben andere Anforderungen an eine Mehrheitsgesellschaft, als geflüchtete Menschen. Wir versuchen diese Perspektiven gemeinsam zu thematisieren, trotzdem aber auch darauf zu achten, wer spricht für wen und wer spricht wie über wen.



Inwiefern kann sich eine Organisation wie die ndo spezifisch und bestimmt in die öffentliche Debattenkultur einbringen?


Ganz klar durch Kampagnenarbeit, durch Social Media, durch Pressemitteilungen und Publikationen. Die Positionierung variiert natürlich, wenn wir bspw. die öffentliche Debatte im Bundestag adressieren, haben wir dafür unsere "factsheets" und "policy paper", in denen wir unsere Probleme und die Forderungen thematisieren. Für die Öffentlichkeit selbst haben wir in unserem Netzwerk viele Publikation, die wir positionieren, bewerten und versuchen in den Diskurs zu bringen.  

 

 


 Interview: Marlene Obst & Julius Matuschik I Foto: Barbara Dietl