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Passport. Bitte!

von Mareike Döring

Wie könnte der Wunschreisepass aussehen? Und was würde darin vermerkt sein? Eine Ausstellung im Bürgersaal des Rathauses Hannover bietet Anlass für eine Auseinander­setzung.

Foto: Julius Matuschik

Mein Name, meine Größe, meine Augenfarbe, mein Geburtstag und -ort. Das steht in meinem abgelaufenen Reisepass. Wenn ich einen neuen möchte, dann gehe ich zum Bürgeramt und bekomme einen neuen. Die Papiere liegen vor. Sie sind bürokratisch gesammelt, abgelegt und verräumt. Ich kann mit dem Pass in 188 Länder reisen, ohne ein Visum zu beantragen. Das ist nicht mein Verdienst, denn ich habe diese gebundenen Zettel im dunkelroten Einband mit der goldenen Prägung einfach so gekriegt. Und wenn man etwas einfach so kriegt, macht man sich oft nicht sehr viel Gedanken darüber, was “haben” oder “nicht haben” eigentlich bedeutet.

Was bedeutet also dieses Stück Papier? Was bedeuten diese Stempel? Was hat der bürokratische Akt für Auswirkungen auf uns, unsere Träume, unsere Ziele, unsere Chancen? Diese und mehr Fragen stellten sich über 50 Menschen in und um Hannover. Herausgekommen ist die wunderbare Ausstellung "Passport. Bitte!" die noch bis zum 31. Juli im Bürgersaal des Neuen Rathaus zu sehen ist.

Foto: Julius Matuschik

Was, wenn ich dich fragte, wer du bist? Du sagtest vielleicht deinen Namen, ja. Aber deine Größe, deine Augenfarbe, deinen Geburtstag? Du würdest mich auch nicht geradeaus anschauen, mit gehobenem Kinn, die Haare aus dem Gesicht gestrichen und ohne zu lächeln. Du bist kein biometrisches Passbild und ich bin keine Grenzkontrolle.

Doch schon der Aufbau des Raumes von "Passport. Bitte!" weist uns leise darauf hin, dass wir uns die Trennung zwischen dem, wer wir sind und dem, was unser Pass bedeutet, nicht so einfach machen können: An den Stellwänden in der Mitte sind türgroße Aussparungen und ihre Schwellen sind mit rot-weißem Klebeband abgeklebt - Keine Barriere, nur dieser Durchgang und das Klebeband, sodass ich mich nicht traue dort hindurch zu gehen. Andere trauen sich auch nicht. Erst als die Ersten gedankenverloren hindurchschlendern (haben sie etwa das Klebeband nicht gesehen?) und kein Alarm losgeht und niemand in Sakko und der wichtigen Mine eines Hochkulturhüters sie anspricht, gehe ich auch. Danach bin ich nicht Mal mehr sicher, ob die Barriere gewollt oder Zufall war. Trotzdem war sie da, wenigstens in meinem Kopf.

Foto: Julius Matuschik

Die Ausstellung spielt mit den Formen der Bürokratie: Sie variiert sie mit eigenen Stempeln und verteilt die Abdrücke im Großformat. Sie zeigt Ausschnitte von Landkarten, die keine genormten Weltkarten sind, sondern vielleicht persönliche Lebensweltkarten. Sie sammelt die Wunschreiseziele junger Menschen und lädt dazu ein, den eigenen Passport neu zu denken: In einem Karteikasten finden sich alternative Reisepässe, die eigene Geschichten erzählen. Wunschreisepässe.

Foto: Julius Matuschik

Beim Durchblättern der Wunschpässe wird klar: es gibt vieles, was uns ausmacht. Wie würde so ein Pass aussehen, wenn man ihn sich aussuchen könnte? Welche Farbe hätte er? Mit was wäre das Titelblatt bedruckt? Welche Daten wären wichtiger als Geburtstag, Nationalität oder Augenfarbe? Vielleicht stünde darin, dass man Hunde mag oder die Welt entdecken möchte.

Ich bin keine Grenzkontrolle und möchte auch niemals eine sein. Aber nach den Wunschpässen würde ich gerne fragen. “Deinen Passport, bitte” würde ich fragen. “Du magst also Hunde? Cool! Ich auch.” Oder: “Du möchtest die Welt entdecken? Viel (S)Pass dabei”. Und eine Grenze wäre vielleicht weniger Grenze, als Schnittstelle. Und Kontrolle wäre vielleicht weniger Kontrolle, als Gesprächsanlass.

Foto: Mareike Döring

Auf den ersten Blick also wird klar, dass hinter all den Werken in der Ausstellung viele Diskussionen und schwierige Fragen stehen. So bleibt die Ausstellung nicht in einer pädagogisierenden Eine-Welt-Romantik stecken, die am Ende doch wieder nur einen Blickpunkt kennt. Sie ist im Gegenteil die künstlerische Dokumentation von Auseinandersetzungen rund um Identität und Bürokratie und zugleich ein Gesprächsangebot und die Einladung weiterzudenken.

Infobox: Die Ausstellung "Passport. Bitte!" ist ein Projekt des Künstlers Edin Bajrić, das die kulturelle Integration von Schüler*innen und Erwachsen fördert. Die Ausstellung läuft bis zum 31. Juli 2018 im Bürgesaal des Neuen Rathauses in Hannover. Mehr auf der Website oder bei facebook.

Zu Reisepässen: Die Initiative The Passport Index sammelt Informationen über alle real existierenden Pässe. Jährlich veröffentlicht sie ein Ranking. Der deutsche Reisepass gilt als "zweit mächtigster" der Welt. Am Ende des Rankings stehen Afghanistan, Irak und Pakistan.


Autorin: Mareike Döring | Fotos: Julius Matuschik und Mareike Döring