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Wie über Rassismus sprechen?

Um gegen Rassismus zu kämpfen, ist es nötig ihn benennen zu können. Wie sprechen wir überhaupt über Rassismus und welche Begriffe brauchen wir dafür? Es gibt einige Worte, die immer wieder auftauchen. Um dir in Diskussionen zu helfen, haben wir dieses fortlaufende Lexikon gestartet.

Rassismus

Wenn du googelst, zeigt dir der erste Treffer: „Rassismus ist eine Gesinnung oder Ideologie, nach der Menschen aufgrund weniger äußerlicher Merkmale – die eine bestimmte Abstammung vermuten lassen – als „Rasse“ kategorisiert und beurteilt werden.“ Dabei ist schon das Wort Rasse problematisch. Diese Einteilung hat nichts mit Biologie zu tun, sondern wurde im 16. Jahrhundert von weißen Menschen auf Schwarze Menschen verwendet um Verbrechen wie Sklaverei zu rechtfertigen. Rassismus ist also die Legitimation um eine weiße Vorherrschaft zu begründen und damit die Grundlage für millionenfaches Leid und Unterdrückung bis heute.

Rassismus ist wirklich vielschichtig und hat viele Ausprägungen – in diesem frortlaufenden Lexikon beleuchten wir einige davon.

Bilde dich auch hier weiter: Amadeu-Antonio-Stiftung, Bundeszentrale für politische Bildung und vor allem Exit racism.

Blackfacing

Blackfacing beschreibt ein dunkles Make-up (dunkler als der eigenen Hautton), das weiße Menschen tragen, um die Karikatur einer Schwarzen Person zu spielen. Blackfacing als Praxis gibt es bereits seit mind. dem 18. Jahrhundert. Blackfacing diente dazu, Schwarze Menschen zu Unterhaltungszwecken für weiße Menschen karikiert und negativ darzustellen.
In heutigen Diskussionen über Blackfacing wird diese rassistische Geschichte häufig unter den Teppich gekehrt. Blackfacing wird von Schwarzen Menschen und Menschen of Color als zutiefst beleidigend wahrgenommen.

In den USA zeigt die kritische Thematisierung von Blackfacing Wirkung: Im Zuge der BLM-Bewegung wurden in den letzten Wochen von diversen Streaming-Diensten Folgen von populären TV-Sendungen, die blackfaced Charaktere enthalten, wie z. B. Scrubs, 30 Rock, The Office gelöscht. In Deutschland taucht Blackfacing auf Theaterbühnen, in den Medien, an Karneval und beim Dreikönigsfest immer wieder auf.
Wir empfehlen: Heinrich Böll Stiftung zu Blackfacing am Theater

Blackfishing

Der Begriff Blackfishing setzt sich aus den Begriffen Blackfacing und Catfishing zusammen und beschreibt die Aneignung von Äußerlichkeiten Schwarzer Menschen oder von Menschen of Color durch weiße Menschen.
Es handelt sich hierbei um eine Form kultureller Aneignung, bei der nur einzelne, äußerliche Merkmale herausgepickt werden (z.B., wenn eine weiße Person vergleichsweise dunkleres Make-up verwendet als ihrem Hautton entsprechend.) Wie Blackfacing behandelt Blackfishing die Attribute von Schwarzen Menschen und Menschen of Color als wären sie Kostümteile, die je nach Belieben an und abgelegt werden können. Bei Aneignung dieser Äußerlichkeiten, weil sie als "schön" oder "cool" empfunden werden, wird vergessen, dass hinter diesen Merkmalen das Erbe ganzer Kulturen und eine jahrhundertelange Geschichte der Diskriminierung durch weiße Menschen steht.

BIPOC , BPOC und POC

BIPOC , BPOC und POC sind Abkürzungen, die aus der Englischen Sprache kommen und für Black and Indiginous and People of Color, Black and People of Color bzw. für People of Color steht. Es sind Selbstbezeichnung von Menschen mit Rassismuserfahrungen, also Menschen, die nicht als weiß gelesen werden und sich auch selbst nicht so definieren.
 
POC, also Menschen of Color, müssen nicht Teil der afrikanischen Diaspora sein. Der Begriff ist als Solidarisierung mit Schwarzen Menschen entstanden. Bei den Ausdrücken geht es nicht um die Benennung von Hautfarben, sondern um die Benennung von Rassismen und den Machtverhältnissen in einer mehrheitlich weißen Gesellschaft.
 
Der Ausdruck POC wird mittlerweile als Selbstbezeichnung immer weniger verwendet. BPOC (Black and People of Color) bezieht Schwarze Menschen ausdrücklich mit ein. Die Abkürzung BIPOC (Black and Indiginous and People of Color) umfasst explizit auch Indigene Menschen.
 
Der Begriff BIPOC ist nicht gleichzusetzen mit den ausdrücken „farbig“ oder „colored people“, bei denen es sich nicht um Selbstbezeichnungen handelt. Diese Fremdbezeichnungen sind Beispiele für rassistische Begriffe, die die rassistischen Systeme unserer Gesellschaft fortbestehen lassen.

Critical Whiteness

Critical Whiteness (Kritisches Weißsein) oder Critical Whitness Studies untersuchen die unsichtbaren Strukturen, die weiße Vorherrschaft und weiße Privilegien produzieren und reproduzieren.

Kritisches Weißsein geht von der Idee aus, dass auch weiße Menschen eine Hautfarbe haben und dass auch weißen Menschen auf Grund ihrer Hautfarbe in der Gesellschaft Eigenschaften zugeschrieben werden. Diese Eigenschaften sind die privilegierte Sonderrolle, die weiße Menschen in einem System bekommen, das Weißsein als Norm definiert.

Kritisches Weißsein hinterfragt das Weißsein als Norm und nimmt Rassimus nicht als Schaden für von Rassismus Betroffene, sondern als Vorteil für weiße Menschen in den Fokus. Critical Whiteness ist in den 1990ern in den USA entstanden und seit ca. zehn Jahren Teil des Rassismusdiskurses in Deutschland.

Zum kritischen Weißsein gehört auch das sogenannte white passing (als weiß durchgehen). Das betrifft BIPOC, die zu einer marginalisierten Gruppe gehören, aber aufgrund ihrer Hautfarbe auch als weiß wahrgenommen werden können. Oft genießen diese Personen Privilegien des Weißseins.

Intersektionalität

Intersektionalität widmet sich der Frage, wie Ungleichheit, Diskriminierung und Privilegien miteinander verknüpft sind. Dabei geht es darum, Lebenswelten in ihrer Vielfalt darzustellen. Denn beispielsweise hat Diskriminierung unterschiedliche Ursachen und Formen, die sich oftmals überlagern. Das ist der Fall, wenn eine Schwarze Frau Diskriminierung a) aufgrund ihres Geschlechts und b) aufgrund ihrer Hautfarbe erfährt. Für einen tiefer gehenden Einstieg in das Thema Intersektionalität empfehlen wir euch die zweite Folge des Podcast "Feminismus Backstage" der Heinrich Böll Stiftung und des Gunda Werner Instituts.

Kulturelle Aneignung

Kulturelle Aneignung (engl. Cultural Appropriation) bezeichnet die Bereicherung an Errungenschaften von Minderheiten durch die Mehrheitsgesellschaft. Oder einfacher gesagt: Jemand nimmt sich ohne zu fragen Etwas, das einem nicht gehört und macht damit Geld, bekommt Ansehen; allerdings ohne dabei die strukturellen und historischen Nachteile zu erleben, die für Menschen der Minderheit damit verbunden sind. 
Deshalb sorgt kulturelle Aneignung auch dafür, dass Ungleichheiten fortbestehen. 
Beispiele für kulturelle Aneignung können sein: Die Verwendung des Wortes "Habibi" als nicht arabische*r Muttersprachler*in, das Tragen von Dreadlocks als weiße Person und indigene Kostüme an Fasching. 
Buchtipp: Everything But The Burden von Greg Tate

Marginalisierung

Marginalisieren heißt so viel wie „ins Abseits schieben“ – und genau diesen Prozess bezeichnet der Ausdruck „Marginalisierung“: Bestimmte Personengruppen der Gesellschaft werden an den Rand gedrängt. Aber den Rand von was? Das kann wörtlich der Rand einer Stadt oder eines Ortes sein. Aber auch wirtschaftlich, sozial und/oder kulturell kann diese Verdrängung bestimmter Personengruppen – oft intersektional – stattfinden. Marginalisierung macht ein ungleiches Machtgefüge sichtbar: Wer marginalisiert wird, wird benachteiligt. Beispielsweise sind Personen mit niedrigem Einkommen gezwungen, in mietgünstigen Gegenden zu wohnen (geografische Marginalisierung), haben dort weniger gute Jobmöglichkeiten (wirtschaftliche Marginalisierung) und verdienen dadurch nicht so gut, um sich zum Beispiel eine zentraler gelegene Wohnung in der Nähe eines besser bezahlten Jobs leisten zu können. Doch nicht nur wirtschaftlich haben marginalisierte Menschen weniger Einfluss; so steht ihnen beispielsweise oftmals auch nur eine vergleichsweise eingeschränkte medizinische Versorgung zur Verfügung, zum Beispiel, weil die nächste Spezialklinik zu weit weg ist.
Einen spannenden Artikel über das Thema findet ihr hier:

https://www.bpb.de/apuz/28844/teilhabechancen-und-ausgrenzungsrisiken-in-deutschland

Mikroagressionen

Mikroaggressionen sind alltägliche, subtile und häufig unbewusste Angriffe auf marginalisierte Gruppen oder Einzelpersonen. Sie teilen sich in drei verschiedenen Katgeorien: Mikroangriffe (offensichtliche Übergriffe), Mikrobeleidigungen (klar erkennbare Unhöflichkeit) und Mikroentwürdigungen (Mitteilungen, die abweisend oder ausschließend sind).
Mikroaggressionen zwingen die betroffene Person immer wieder dazu, sich erklären zu müssen und die Vorannahmen und Vorurteile des Gegenübers richtigzustellen.

Das können zum Beispiel Aussagen gegenüber BIPOC, wie die Frage wo jemand wirklich herkommt oder Kommentare über ihr gutes Deutsch. Sie implizieren, dass die angesprochene Person nicht deutsch sein kann. 

Othering

Othering bezeichnet die Abgrenzung einer Gruppe von einer weiteren Gruppe. Diese Abgrenzung findet dadurch statt, indem die weitere Gruppe als "fremd", "anders" und damit von der ersten Gruppe als Norm "abweichend" beschrieben wird. Dadurch entsteht ein Machtgefälle, da die "andere Gruppe" einer externen Zuschreibung ausgesetzt wird. Das heißt, die erste Gruppe legt sich selbst als Standard fest und weist der "anderen" Gruppe den Nicht-Standard zu. Othering befördert neben Rassismus weitere Diskriminierungsstrukturen wie Homophobie, Sexismus und Antisemitismus ...

Ein Beispiel: "Refugees Welcome" Bühnen auf Musikfestivals. Durch eine extra Bühne werden die Musiker*innen mit Fluchtgeschichte als "fremd" dargestellt. Alle Bühnen für alle wäre hier besser.

Postkolonialismus

Postkolonialismus ist eine geistige Strömung, die sich seit Mitte des 20. Jahrhunderts in Auseinandersetzung mit der Geschichte des Kolonialismus und Imperialismus entwickelte. Sie fordert zum einen die Dekolonisierung und politische Souveränität der ehemaligen Kolonien gegenüber den jeweiligen Kolonialmächten. Zum anderen will Postkolonialismus ein Bewusstsein für das Fortbestehen imperialistischer Strukturen in verschiedenen Lebensbereichen schaffen, wie z.B. der Politik und Ökonomie. 

Erste Denkansätze des Postkolonialismus gab es bereits 1947, als Indien sich vom British Empire trennte. Wegweisend für die Entwicklung der Strömung war Edward Saids Werk „Orientalism“ (1978). 

Grundlage des postkolonialen Ansatzes ist, dass die Kolonien nur politisch befreit seien, jedoch weiterhin durch die Vorherrschaft eurozentrischer Sichtweisen beeinflusst werden. 

Unter dem Stichwort „Verflechtungsgeschichte“ versuchen postkoloniale Ansätze sowohl die Spuren des Kolonialismus als auch das veränderte Selbstverständnis der Kolonialmächte aufzuzeigen.   

Racial Profiling

Racial Profiling beschreibt eine Handlung der Polizei, die auf Stereotypen basiert. Dabei werden Individuen auf Grund von Race, ethnischer und/oder nationaler Herkunft und/oder Religion verdächtigt, Straftaten begangen zu haben. Es kann aber z.B. auch von Securitymitarbeiter*innen in Geschäften, Clubs oder bei Fernreisen stattfinden. Der Ausdruck entstammt der US-amerikanischen Kriminalistik. In den USA und Großbritannien ist Racial Profiling verboten. In Deutschland gibt es keine explizite juristische Reglung.

Beispiele für Racial Profiling sind: Wenn an Bahnhöfen, Flughäfen und in Grenzbereichen Menschen of Color oder bei entsprechend motivierten Rasterfahndungen Moscheebesucher*innen und „muslimisch aussehende“ Personen vermehrt kontrolliert werden. Auch die Kriminalisierung der Menschen, die durch den NSU in der CESKA Mordserie getötetet wurden, und ihrer Familien zählt dazu.

Durch Racial Profiling werden betroffene Communities ausgegrenzt und verlieren ihr Vertrauen in die so handelnden Institutionen. Es ist dem institutionellen Rassismus zuzuordnen.

Schwarz

Die politisch korrekte und vor allem selbstgewählte Bezeichnung für Schwarze Menschen. Schwarz zu sein ist keine biologische Eigenschaft – also nicht die Farbe der Haut, sondern steht für bestimmte Erfahrungen in der Gesellschaft, die ein Widerstandspotential in sich bergen. Das Adjektiv Schwarz wird groß geschrieben, um dies zu verdeutlichen. Weiße Menschen können daher nicht bestimmen, wer Schwarz ist und wer nicht.

Auch Schwarze Menschen, die nicht als afrikanischstämmig gelesen werden, sind von Rassismus betroffen. Den Begriff hat in den 1980er-Jahren die Pädagogin und Poetin May Ayim in Deutschland eingeführt.

Tokenism

Tokenism bezeichnet eine Situation, wenn Menschen marginalisierter Gruppen inkludiert wurden, um lediglich den Anschein von Gleichberechtigung zu erwecken. Das heißt, es wird für fehlende Diversität keine tatsächliche Lösung gesucht, sondern das Problem nur mit kosmetischen Mittel angegangen. 

Ein Beispiel für Tonkenism ist, wenn ein Unternehmen nur eine Person aus einer marginalisierten Gruppe engagiert oder in einer fiktiven Geschichte nur eine Person aus einer marginalisierten Gruppe vorkommt, während die Mehrheit der restlichen Anwesenden einer dominanten Gruppe angehören. 

Tokenism führt zu Problemen der Repräsentation: Die Verantwortung, eine ganze Gruppe zu repräsentieren wird damit einer Person auferlegt. 

weiß

Weiß ist die politisch korrekte Bezeichnung für weiße Menschen. Weiß ist keine Selbstbezeichnung, sondern eine kritische Analysekategorie. Das wird durch die Kursivsetzung des Wortes angezeigt. Der Begriff beschreibt eine von Rassismus geschaffene soziale Positionierung, die sich durch Vorteile (Privilegien) gegenüber BIPOC auszeichnet. Der Begriff meint also keine Hautfarbe.

Weiß zu sein, heißt mehr Macht zu besitzen als BIPOC.

White Saviorism

Wenn über White Saviorism gesprochen wird, geht es meisten um zwei Dinge: Erstens um das Stereotyp, also die wiederkehrende Rolle, der*des weißen Retter*in, der*die meistens in Filmen BIPOCs "rettet". Zweitens geht es um weiße Menschen aus dem globalen Norden (bspw. Europa, Nordamerika), die in den globalen Süden (bspw. Afrika, Lateinamerika) reisen, um Menschen dort zu „helfen“. Das kennt man vor allem von Hollywoodstars, Influencer*innen oder jungen Menschen nach ihrem Schulabschluss.

Beide Aspekte basieren auf dem rassistischen Gedanken, dass BIPOCs sich nicht selbst helfen können. Die Hintergedanken der White Savior können dabei sehr wohl positiv-helfend sein. Aus mehreren Gründen ist das ganze trotzdem sehr problematisch:

  • White Saviorism hat eine Geschichte - die Kolonialgeschichte.
  • White Saviors „helfen“ oft, ohne jegliche Qualifikation oder Sprachkenntnisse. Das kann traumatisch bis gesundheitsgefährdend für die Menschen sein, denen vermeintlich geholfen werden soll. Beispiel 1 für White Saviorism: Missionarin eröffnet Krankenhaus in Uganda ohne medizinische Qualifikation. Beispiel 2 für White Saviorism: Sozialarbeiter präsentiert stolz „ihren“ Flüchtling.

„We never said 'no white people'. We just know you shouldn’t be the hero of the story.“
@nowhitesaviors

Wir haben schon mal aufgeschrieben, warum ihr die Folge des Podcasts Feuer und Brot zu White Savorism hören solltet. Außerdem fresh: White Savior - the Movie